Mit der Familie an die Opalküste - Unser Sommerabenteuer im Norden Frankreichs
Nach vier Tagen voller Abenteuer, Croissants und Sightseeing in Paris (den Artikel dazu könnt ihr hier lesen) zog es uns weiter gen Norden. Raus aus dem Großstadttrubel und hinein in die sanfte Weite der französischen Küste des Ärmelkanals in der Region Hauts-de-France. Genauer gesagt der charmante Landstrich Nord-Pas-de-Calais, der vielen vor allem durch den Ch'ti-Dialekt und die gleichnamige Komödie "Willkommen bei den Sch'tis" ein Begriff ist.
Der Film lebt von überzeichneten Klischees, einem Dialekt, der vielen Franzosen unverständlich ist und dem angeblich schlichten Verstand der Einheimischen. Und was sollen wir sagen? Ein paar dieser Originale haben wir tatsächlich getroffen. Aber viel mehr als das hat uns die Region mit atemberaubender Natur, entspannte Begegnungen und herrlich leeren Stränden überrascht. Nach einer Woche können wir sagen: die Farben der sogenannten Côte d'Opale - der Opalküste - machen ihrem Namen alle Ehre.
Mit dem Zug durch grüne Weite
Unsere Anreise führte uns mit dem Zug von Paris nach Boulogne-sur-Mer. Die Fahrt dauerte rund zweieinhalb Stunden und bot uns damit genug Zeit die Hektik der Hauptstadt langsam abzustreifen. Nach dem Pariser Speckgürtel weitete sich die Landschaft. Felder zogen vorbei, kleine Städte tauchten auf und verschwanden wieder. Als wir bei Amiens abbogen und kurz darauf der Zug erstmals das Meer am Horizont freigab, war die Aufregung bei uns allen riesig. Und das Abenteuer konnte beginnen.
In Boulogne-sur-Mer angekommen, wurden wir begrüßt vom Kreischen der Möwen. Ja, hier war das Meer nicht mehr weit entfernt. Doch zunächst brauchten wir etwas zu Essen und die Suche nach einem Mittagessen gestaltete sich schwieriger als gedacht. Rund um den Bahnhof fanden wir nur gähnende Leere und auf dem Weg in die Innenstadt hatten viele Restaurants um die Mittagszeit geschlossen. Gerade als ich aufgeben und uns einen kleinen Snack bei Aldi holen wollte, entdeckten wir einen Imbiss im Stil der bekannten Dönerläden. Kulinarisch war es definitiv kein Highlight, aber am Ende waren alle satt und das genügte an dieser Stelle.
Zwischen Wellen und Wind - Ein Nachmittag in Wimereux
Während mein Mann den Mietwagen organisierte, machten wir es uns - wie so oft auf Reisen - auf einem Spielpatz gemütlich. Dieser hier sah aus wie ein riesiges, fantasievoll gestaltetes Spielschiff und sorgte bei den Kindern sofort für Begeisterung. Besonders schön war zu sehen, wie die Kinder die ersten Kommunikationsversuche über die Sprachbarriere hinaus starteten. Sie holten sich bei mir kurze Sätze ab und bekamen so auch die Namen der anderen Kinder heraus. Der Rest wurde mit Händen und Füßen gesagt. Verständigung geht oft einfacher, als man denkt.
Mit dem Auto ging es dann weiter. Doch bevor wir unser Ferienhaus ansteuerten, wollten wir unbedingt noch einen Stopp am Meer einlegen. Unsere Wahl fiel auf Wimereux, ein hübsches Küstenstädtchen mit charmanten bunten Häusern. Und dieser Ort hat uns sofort mit offenen Armen empfangen. Das Wetter war, wie den gesamten Urlaub, nicht zu heiß, aber trotzdem sonnig. Es wehte eine angenehme Brise und das Meer lud mit atemberaubenden Wellen zum Baden ein.
Die Flut zog sich gerade zurück, aber das Wasser spritzte noch an den Treppen und den Wellenbrechern empor. Die Kinder waren binnen Sekunden in ihren Badehosen und obwohl ich eigentlich nur mit hochgekrempelten Hosen die Füße ins Wasser stecken wollte, konnte auch ich diesen Wellen nicht widerstehen. So standen wir auf den Steinen, bis wir von der Gischt völlig durchnässt waren. Als sich das Meer noch etwas zurückgezogen hatte, konnten wir weiter hineingehen und den Sand unter unseren Füßen spüren. Und wo sich unser Sohn anfangs noch hinter mir versteckt hatte, standen wir bald zu dritt im Wasser und hüpften fröhlich durch die Wellen. Ein absolut gelungener Start in den zweiten Teil unseres Urlaubs.
Ein Gîte mit tierischem Empfang
Unser Ferienhaus, ein sogenanntes Gîte lag in Caffiers, einem winzigen Ort, wo die Uhren auf einmal etwas langsamer zu ticken scheinen. Kaum angekommen, sprang unsere Tochter mit einem Schrei aus dem Auto: "PFERDE!!!". Und tatsächlich war unsere Unterkunft Teil eines kleinen Pferdehofs. Pferde auf der Koppel, Pferde im Stall, Pferde direkt vorm Fenster. Und sogar Pferdewiehern beim Aufwachen. Bei so viel Pferd war die Begeisterung der Kinder grenzenlos.
Wir wurden sofort herzlich von der Gastgeberin und ihren beiden Hofhunden begrüßt. Das Haus selbst war mit Geschmack eingerichtet, lichtdurchflutet und mit einem traumhaften Blick auf die Felder und Hügel der Umgebung. Es gab einen Grill, einen Essplatz im Freien und wir hätten sogar unser eigenes Pferd mitbringen können und / oder ein Gîte mit Blick in den Stall hinein buchen können.
Leider haben sich innerhalb unseres Aufenthaltes auch einige negative Punkte angesammelt. Das WLAN funktionierte nicht, die Küchenausstattung war eher spartanisch und die Treppe im Haus knarzte so laut, dass wir jedes Mal Angst hatten, abends die Kinder zu wecken. Es war schön, aber gerade im Vergleich zu vergangenen Urlauben nicht ganz so überzeugend. Deshalb würden wir vermutlich nicht noch einmal herkommen, auch wenn die Lage, das Konzept und der Pferdebonus der Unterkunft absolut zu überzeugen wussten.
Natur, Wasser und endlose Weite - die Highlights unserer Woche
Baden mit Gezeitenzauber
Unser Alltag am Meer war geprägt vom Rhythmus der Gezeiten. Mal zieht sich das Wasser so weit zurück, dass man das Gefühl bekommt, bis nach England laufen zu können. Dann wieder verschwindet der gesamte Strand unter dem blauen Wasser des Ärmelkanals. Ein Blick aufs Handy und die Gezeitentabelle gehörte deshalb zu unseren täglichen Routinen. Meist zog es uns nach dem Mittagessen an den Strand, wenn das Meer langsam wieder auf uns zukam.
Die Kinder rannten voraus und genossen die Weite des Strandes. Wir sammelten Muscheln, Steine und Überreste von Krebsen. Wir bauten Staudämme und Wassergräben. Und wir schufen kunstvolle Sandburgen, die am Ende - ganz klassisch - von der aufkommenden Flut weggespült wurden. Das Beste war aber jedes Mal in die Wellen einzutauchen und die Gischt auf der Haut zu spüren.
Innerhalb unserer Woche am Meer erkundeten wir viele verschiedene Strände. Einige davon (zum Beispiel Wissant, Wimereux oder Calais) lagen sehr zentral und überzeugten mit einer Strandpromenade und Geschäften. Andere Strandabschnitte lagen genau dazwischen, wo wir manchmal das Gefühl hatten ganz allein zu sein. Keine dicht gedrängten Handtücher oder laute Musikboxen - nur wir, der Wind und das Meer.
Zusätzlich gibt es an den Stränden allerhand spannende Dinge zu entdecken. An manchen Orten legt die Ebbe halb verrottete Wracks von Schiffen oder U-Booten frei, in den Dünen finden sich versteckte Bunker und Holzpflöcke im Meer werden zur Zucht von Miesmuscheln verwendet.
Kleine Wanderungen - große Aussichten
Wenn wir nicht am Strand waren, zog es uns in die Natur. Denn die Landschaft zwischen Cap Blanc-Nez und Cap Gris-Nez ist einfach zu schön, um sie nur aus dem Auto zu betrachten. Zwischen Leuchttürmen, die hoch auf den Klippen thronen und kleinen Fischerdörfern liegen etwa 23 Kilometer naturbelassene Steilküste. Daneben sind goldgelbe Felder, die im August nach und nach abgeerntet werden und einen einzigartigen Kontrast zum Blau des Ozeans bilden.
Genau dort verläuft auch der Küstenfernwanderweg GR120, der auf 175 Kilometern Belgien mit der Bucht von Authie verbindet. Auch wenn ihr vermutlich (wie wir auch), nicht gesamte Strecke zurücklegen werdet, lohnt es sich, kleine Abschnitte davon entlangzugehen und die Schönheit der Aussicht zu genießen. Das Beste: Solange die Südküste Englands nicht gerade im Regen versinkt, könnt ihr die Kreidefelsen von Dover in der Ferne erblicken. Auf jeden Fall das Fernglas nicht vergessen, denn auf dem Ärmelkanal ist auch beim Thema Schiffsverkehr richtig was los.
Die besten Aussichtspunkte habt ihr natürlich von den beiden Kaps aus - Cap Blanc-Nez und Cap Gris-Nez. Dort war es durch die Tagesausflügler etwas voller, aber trotzdem lohnt sich der Weg absolut.
Vergessene Tunnel und verborgene Geschichten
Die gesamte Region ist stark geprägt von stillen Zeitzeuge der Vergangenheit. Überall fanden wir Hinweise auf die Geschichte - manchmal ganz offensichtlich, manchmal gut versteckt. Besonders beeindruckt hat meinen Mann und unseren Sohn der Besuch der Forteresse de Mimoyecques, ein riesiger unterirdischer Bunkerkomplex aus dem zweiten Weltkrieg, der für eine sogenannte V3-Waffe genutzt werden sollte. Auch wenn hier nur einer der Tunnel besichtigt werden kann, ist es doch auch für etwas größere Kinder ein beeindruckendes und gleichzeitig informatives Erlebnis. Vergesst eure Taschenlampen nicht, um in unbeleuchtete Tunnelenden hineinzuleuchten.
Auch an vielen anderen Stellen begegneten wir der Vergangenheit. Alte Bunker in den Dünen, zerstörte Festungen aus der Zeit von Heinrich VIII und die Batterie Lindemann, die sich jetzt komplett unter einem künstlich angelegten See bei Calais befindet. Stille Erinnerungen daran, dass dieser schöne Ort schon viele dunkle Zeiten erlebt hat - und vielleicht gerade deshalb heute so kostbar wirkt.
Drachenzauber in Calais
Seien wir ehrlich - die Stadt Calais gewinnt definitiv keinen Schönheitspreis. Wie denn auch, da sie in der Vergangenheit mehrfach fast komplett zerstört wurde? Vieles wirkt funktional und glanzlos. Dennoch lohnt sich ein Besuch aus vielerlei Gründen.
Der alte Leuchtturm ist eines der wenigen Gebäude, die noch stehen und war unser erstes Ziel. Wir stiegen die vielen Stufen hinauf und oben erwartete uns eine spektakuläre Aussicht, die alle Mühe wettmachte. Der Blick über den Hafen, die Stadt und die ferne Küste von England war einfach beeindruckend. Zusätzlich gibt es unten ein kleines Museum zum Thema Schiffverkehr und Leuchttürme, das mit vielen Mitmachstationen auch für Kinder interessant ist.
Auf dem Weg zurück entdeckten wir Rest einer alten Festungsanlage. Leider ohne viele Informationen, was wir sehr schade fanden. Stattdessen wird die Fläche für eine Ausstellung über den Drachen von Calais genutzt, die auch spannend ist, aber leider keine Einblicke in die Geschichte liefert.
Der Drache von Calais ist das Aushängeschild der Stadt und ein Touristenmagnet noch dazu. Eine ingenieurtechnische Meisterleistung in Form einer riesigen, beweglichen Maschine, irgendwo zwischen Steampunk-Kunst und Kindertraum, die - langsam und schwerfällig - entlang der Strandpromenade rollt und dabei dampft, faucht, Wasser spritzt und sogar Feuer speit. Wir haben darauf verzichtet ein Ticket für die Fahrt zu buchen. Stattdessen beobachteten wir das Spektakel von unten aus und waren mindestens genauso fasziniert.
Der angrenzende Spielplatz war übrigens der schönste des ganzen Urlaubs - kreativ, groß, gepflegt und mit direktem Blick aufs Meer. Auch der riesige Skaterpark, die vielen kulinarischen Angebote und der auch bei Flut wahnsinnig breite Strandabschnitt haben uns komplett überzeugen können.
Ponyreiten im Nieselregen
Natürlich mussten wir auch reiten. Schließlich wohnten wir schon bei Pferden, da gab es keine Ausreden. Über unsere Gastgeberin bekamen wir den Kontakt zu einem kleinen Hof in der Nähe, der Ponyreiten für Kinder anbot. Aber nicht einfach nur drei Runden im Kreis reiten. Es gab das volle Programm mit putzen, streicheln, striegeln und Sattel anlegen, bevor es für die Kinder auf dem Ponyrücken für eine Stunde durch die Felder ging.
Mit strahlenden Augen und ganz viel Konzentration führten die Kinder "ihre" Ponys durch die Felder. Da konnte auch der leichte Nieselregen die Stimmung nicht trüben. Wir liefen daneben und sorgten dafür, dass die Ponys nicht bei jedem Grashalm stehen blieben, um zu fressen. Was tatsächlich viel anstrengender war, als es klingt.
Fazit: Der Norden hat unser Herz erobert
Am Ende unserer Woche an der Opalküste fuhren wir mit salziger Haut, sandigen Schuhen und vielen kleinen und großen Erlebnissen zurück. Gerade nach dem Sightseeing-Marathon in Paris waren die Tage an der Küste eine wunderbare Abwechslung.
Frankreichs Norden hat uns überrascht. Nicht mit Spektakel, sondern mit stiller Schönheit, weiten Stränden, viel Wind und noch mehr Charme. Nicht alles war perfekt und doch fahren wir mit einem guten Gefühl nach Hause. Wir haben gelacht, gefroren, gebadet und gestritten - und das alles ohne Termindruck und ohne Menschenmassen.
Würden wir wiederkommen? Ja, auf jeden Fall, denn die Opalküste hat sich in unser Urlaubsherz geschlichen. Wahrscheinlich in ein anderes Gîte, vielleicht mit mehr Zeit im Gepäck. Denn auch wenn das Ferienhaus nicht ganz unsere Erwartungen erfüllt hat, haben die gemeinsamen Erlebnisse den Urlaub für uns unvergesslich gemacht.
📍Für alle, die's genau wissen wollen
Unsere Unterkunft
familienfreundliches Gîte mit kleinen Abstrichen
👉 Le Clos de l'Angley
Webseite:https://leclosdelangley.fr/en
Warum wir es trotzdem mögen: ruhige Lage, Pferde soweit das Auge reicht
Anreise & Verkehr
- mit dem Zug der SNCF von Paris bis Boulogne-sur-Mer
- mit dem Mietwagen von Boulogne-sur-Mer aus - Station von Hertz ca. 500m vom Bahnhof entfernt (inzwischen umgezogen)
Unternehmungen
- Besuch in Calais mit Leuchtturm, Strand und Drache, Webseite: https://www.nordfrankreich-erleben.com/calais
- Baden an den weiten Stränden entlang der Opalküste
- Cap Gris-Nez und Cap Blanc-Nez
- auf den Spuren der Vergangenheit im Bunker Forteresse de Mimoyecques, Webseite: https://www.mimoyecques.fr/en
Hallo,
AntwortenLöschenvielen Dank für den schönen Bericht! Die Opalküste klingt nach einer herrlichen Mischung aus Natur, Strand und entspannten Momenten abseits der Menschenmassen. Besonders die Kombination aus weiten Stränden, Küstenwanderungen und kleinen Entdeckungen macht den Urlaub sehr lebendig und abwechslungsreich. Schön, dass ihr trotz kleinerer Herausforderungen so viele besondere Eindrücke sammeln konntet.
Einen schönen Tag wünsche ich euch!
Viele Grüße,
Saskia Katharina
Liebe Lisa, von der Opalküste (also dem Begriff) habe ich noch nie gehört, bin aber auch nicht der größte Frankreich-Fan. Was du beschreibst, klingt aber super schön. Wer kann tollen Wellen schon widerstehen? Liebe Grüße von Miriam
AntwortenLöschenIch war zwar schon ein paarmal in Frankreich, aber die Opalküste war mir bisher auch kein Begriff! In die Serie "Willkommen bei den Sch'tis" hatte ich vor Jahren mal reingeschaut, ich kann mich aber kaum noch an Details erinnern! Vielleicht sollte ich nochmal reinschauen? Schön fand ich, dass deine Kleinen versucht haben, mit Händen und Füßen Kontakt aufzunehmen! Ich höre (in meinem Job) so oft, dass Fremdsprachen "meinen Kindern" in der Schule keinen Spaß machen! Dabei ist es so schön, die Sprachbarriere zu überwinden :)
AntwortenLöschenLiebe Grüße
Jana